Die Kortumstraße im Jahre 1948 Die Kortumstraße im Jahre 1948
Husemannplatz, Amtsgericht 1996 Husemannplatz, Amtsgericht 1996
Königliches Amtsgericht im Jahre 1860 Königliches Amtsgericht im Jahre 1860

Das Amtsgericht Bochum kann auf eine Tradition von mehr als 1000 Jahren zurückblicken. Dabei haben freilich die Gerichte, die vielleicht als Ursprung der Amtsgerichte bezeichnet werden könnten, wenig mit dem Justizwesen unserer Tage gemein. Am ehesten vergleichbar mit dem jetzigen Amtsgericht ist das Kreisgericht Bochum, das im Jahre 1849 gebildet wurde. Es umfasste die Bezirke der bis dahin bestehenden Land- und Stadtgerichte in Bochum und Hattingen. Im Dezember 1864 erhielt es ein eigenes Gerichtsgebäude, das durch den Bombenangriff der Alliierten am 04.11.1944 zerstört wurde. Das Kreisgericht Bochum war bei seiner Auflösung im Jahre 1879 das zweitgrößte in Preußen. Unter seinem letzten Direktor Holtze waren 30 Kreisrichter tätig.

Die Reichsjustizreform von 1879 brachte die Gerichtsverfassung hervor, die auch heute noch in ihren Grundzügen gilt. Die Amtsgerichte Bochum und Wattenscheid wurden im Jahre 1879 gegründet. Mit der Einrichtung des Amtsgerichts Langendreer, dem dritten Amtsgericht in den heutigen Grenzen unserer Stadt, im Jahre 1908 kam die durch Reichsjustizreform eingeleitete Entwicklung zum Abschluss. Zu Beginn des I. Weltkrieges waren am Amtsgericht Bochum (ohne Wattenscheid und Langendreer) 2 Richter tätig - so viele wie im Jahre 1973.

Nach dem Ende des I. Weltkrieges begann auch für Bochum eine unruhige Zeit. Insbesondere hat die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen in jener Zeit Spuren hinterlassen. Das Amtsgericht musste einen Teil seiner Räume der Besatzungsmacht zur Verfügung stellen. Auch wurde Amtsgerichtsrat Niederstein im Sommer 1923 für etwa vier Wochen in Geiselhaft genommen, weil ein deutsch-französischer Spion in der Gegend von Leipzig von den deutschen Behörden verhaftet worden war. Im Jahr 1925 zog dann endlich die französische Besatzungsmacht ab.

Nach einer kurzen Phase der Konsolidierung begann im Jahre 1933 auch in Bochum eines der dunkelsten Kapitel der Justizgeschichte. Dabei hatte es im hiesigen Amtsgericht nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zumindest ein Zeichen des Widerstandes im Zusammenhang mit der Verhaftung des Bochumer SPD-Vorsitzenden Heinrich König gegeben. SA-Leute hatten ihn in der Nacht vom 10. zum 11.03.1933 in seiner Wohnung überfallen, um ihn in eines der wilden Konzentrationslager der SA zu verschleppen. König und seine beiden Söhne leisteten bewaffneten Widerstand. Ein SA-Mann wurde dabei schwer verletzt. Der nunmehr alarmierten Schutzpolizei ergab sich König sofort. Gleichwohl wurde er sodann der SA übergeben, die ihn schwer misshandelte. Entsprechend der legalistischen Taktik der Nationalsozialisten wurde gegen König ein Haftbefehl beantragt.

Amtsgerichtsrat Greiff lehnte den Erlass des Haftbefehls ab. Für ihn war die Aktion der SA nicht durch die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" gedeckt. Er hielt die bewaffnete Gegenwehr der König's für "einen schwer zu widerlegenden Akt von Notwehr". König und seine Söhne wurden auf freien Fuß gesetzt und konnten unter abenteuerlichen Umständen fliehen. Bereits am 16.03.1933 wurde Greiff in der Parteizeitung "Rote Erde" als Saboteur der nationalen Revolution bezeichnet. Kurz darauf wurde Greiff eines nachts von der SA schwer misshandelt und bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen. Mit Wirkung vom 01.12.1933 wurde er in das ober- schlesische Oppeln versetzt. Er weigerte sich jedoch, dort den Dienst anzutreten und ließ sich im Alter von 49 Jahren in den Ruhestand versetzen. Nach diesen Vorfällen sind weitere Widerstandsaktionen am hiesigen Amtsgericht nicht mehr bekannt geworden.

Aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind uns Bestrebungen überliefert, die einen Neubau für alle Justizbehörden in Bochum zum Ziel hatten. Mit dem Beginn des II. Weltkrieges wurden diese Pläne jäh zunichte gemacht. Es kam noch schlimmer. Das alte Gerichtsgebäude fiel dem schweren Bombenangriff des 04.11.1944 zum Opfer. Die Mitarbeiter des Amtsgerichts wurden nun in verschiedenen Räumen untergebracht, die über das ganze Stadtgebiet verteilt waren. An eine normale Arbeit war nicht zu denken. Es trat der Stillstand der Rechtspflege ein. Jedoch begann bereits wenige Wochen nach dem Zusammenbruch im Sommer 1945 der Wiederaufbau des Justizwesens. Die ersten Nachkriegsjahre waren auch für das hiesige Amtsgericht von Raumnot und Arbeitsüberlastung geprägt.

Im Zuge des Wiederaufbaus unserer Stadt wurde in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre anstelle des Zerstörten ein neues Justizgebäude in mehreren Bauabschnitten errichtet. Im Jahre 1955 wurde dann endlich das damals geplante Gebäude fertig. Dabei war dem Amtsgericht, das seinerzeit von Dr. Offenberg (1949 bis 1964) geleitet wurde, nur der zuletzt fertiggestellte Seitenflügel an der ABC-Straße zugedacht worden. Kaum jemand dachte damals daran, dass mit diesem Neubau der Raummangel nur vorübergehend behoben war. Sehr bald mussten zusätzliche Räume der Stadt angemietet werden, um die steigenden Anforderungen zu erfüllen. Gegen Ende der Amtszeit des Direktors Dr. Kaap (1965 bis 1977) zeichnete sich eine bedeutende Vergrößerung des Amtsgerichts Bochum ab.

Am 01.07.1977 trat das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts in Kraft. Dadurch wurde eine Reihe von Zuständigkeiten von den Landgerichten auf die Amtsgerichte verlagert. Mit der Einrichtung des Familiengerichts entstand daher auch für unser Amtsgericht zusätzlicher Raumbedarf. Ein halbes Jahr später, also am 01.01.1978, wurde durch das "Ruhrgebietsgesetz" das gesamte Gebiet der kreisfreien Stadt Bochum dem Amtsgericht Bochum zugeordnet. Das bedeutete das Ende der selbständigen Gerichte in Wattenscheid und Langendreer.

Die Auflösung dieser beiden Gerichte, deren Umzug und Eingliederung in die hiesige Behörde mussten organisiert werden. Der damalige Direktor des Amtsgerichts Stute, dessen Amtszeit (1978 bis 1980) von seiner schweren Krankheit überschattet war, fand dabei entscheidende Unterstützung durch seinen Stellvertreter Wellers und den letzten Direktor des Amtsgerichts Wattenscheid Worm. Besondere Schwierigkeiten ergaben dadurch, dass der Neubau, in dem heute das Landgericht, die Staatsanwaltschaft und ein kleiner Teil des Amtsgerichts (insbesondere das Grundbuchamt) untergebracht sind, erst im Laufe des Jahres 1978 bezogen werden konnte. Ende 1978 waren die Umzüge abgeschlossen. Es begann dann aber eine Phase der Renovierung des Gebäudes des heutigen Amtsgerichts, die weit in die achtziger Jahre hineinreichte.

In der Amtszeit des Direktors Worm (1981 bis 1992) wuchs das Amtsgericht Bochum mit den aufgenommenen Gerichten unter Einschluss des Familiengerichts zu einer einzigen Behörde zusammen. Durch seine ausgleichende Art hat er - ergänzt durch seinen mit Schlagfertigkeit und Mutterwitz ausgestatteten Vertreter Wellers - entscheidend zu der guten Atmosphäre beim hiesigen Amtsgericht beigetragen. Im Jahre 1990 hat er erste Kontakte zu dem damaligen Kreisgericht Potsdam hergestellt und gewissermaßen erste Aufbauhilfe geleistet. Nach der Wiedervereinigung sind vom Amtsgericht Bochum sechs Richter und eine Richterin nach Brandenburg gegangen, um dort den Neuaufbau des Justizwesens zu unterstützen. Im Ergebnis sind zwei Kollegen auf Dauer in den Dienst des Landes Brandenburg übergewechselt. 

Unter der umsichtigen Leitung des Direktors Meyer (seit 1992-) stellte sich das Amtsgericht den neuen Herausforderungen. Es zeichnete sich seit Beginn der neunziger Jahre die Umstellung des gesamten Geschäftsbetriebs auf die neue Informationstechnologie ab. Damit verbunden waren zahlreiche Baumaßnahmen, räumliche Umsetzungen und eine Verminderung der Zahl der beim Amtsgericht beschäftigten Personen. Die Umstrukturierung des Geschäftsbetriebes führte zu einschneidenden Veränderungen in den Arbeitsabläufen vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn man bedenkt, dass damit in kurzer Zeit ein mehr als hundert Jahre altes System abgelöst wurde, kann man diese Umstellung getrost als eine stille Revolution bezeichnen.

Zum 01.01.1999 trat die neue Insolvenzordnung in Kraft. Damit wurde für das Gebiet des Konkurs- bzw. Insolvenzrechts die Rechtseinheit in dem wiedervereinigten Deutschland herstellt. Für das hiesige Amtsgericht bedeutete das einen Zuwachs an Aufgaben, denn die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzsachen bezieht sich auch auf alle Amtsgerichte im hiesigen Landgerichtsbezirk. Daneben war wegen der erweiterten Insolvenzmöglichkeiten ein Anstieg der Zahl der Insolvenzsachen zu verzeichnen. Das Insolvenzgericht war im Amtsgericht die erste Abteilung, die auf die neue Informationstechnologie umgestellt wurde. Diese Entwicklung ist im Jahre 2000 mit der Einführung von Serviceeinheiten im gesamten Amtsgericht zu einem vorläufigen Abschluss gekommen.

Die Fotos wurden mit freundlicher Unterstützung des Presse- und Informationsamts der Stadt Bochum zur Verfügung gestellt.